Mehr-Felder-Ansatz

[EN: multiple-field approach]

Unter bestimmten Voraussetzungen kommt es dazu, dass in unserem Erleben nicht nur ein Ich und seine Umwelt vorhanden ist, sondern sich ein zweites Ich mit einer zugehörigen zweiten Umwelt herausbildet – und dass es manchmal sogar noch zu weiteren solchen Ausgliederungen kommt. Dabei handelt es sich in der Regel nicht um pathologische Phänomene im Sinne einer„gespaltenen oder multiplen Persönlichkeit“ oder dergleichen, sondern um alltägliche Phänomenen im „Normalbereich“ des Wahrnehmens und Erlebens jedes Menschen. Zur Ausgliederung eines solchen zweiten Gesamtfeldes kommt es dann, wenn im pimären Gesamtfeld des Menschen Gegebenheiten auftreten, die sich in ein und demselben Gesamtfeld nicht miteinander vereinbaren lassen. Diesem Ausgliederungsvorgang liegt das Prägnanzgesetz zugrunde. Zahlreiche Beispiele für solche Ausgliederungsvorgänge finden sich in Stemberger 2009 und Stemberger 2018.

Dieses Phänomen der Herausbildung eines zweiten anschaulichen Gesamtfeldes mit einem zweiten anschaulichen Ich und einer zweiten anschaulichen Umwelt spielt auch für die Psychotherapie und in der Psychotherapie eine wesentliche Rolle. Das Phänomen tritt auch in der psychotherapeutischen Situation häufig auf – ob nun beachtet oder unbeachtet, ob nun bewusst herbeigeführt oder spontan – und zwar sowohl auf Seiten des Psychotherapeuten, als auch auf Seiten des Klienten. Wird das Phänomen in seinen Bedingungen und Wirkungen gut verstanden, kann dies zu einem besseren praktischen und theoretischen Erfassen der therapeutischen Situation und der therapeutischen Prozesse beitragen und auch bewusst für eine Verbesserung des Vorgehens in Diagnostik und Therapie eingesetzt werden.

In diesem Sinn hat Gerhard Stemberger, ausgehend von Forschungsarbeiten von Edgar Rubin, Albert Michotte und vor allem Edwin Rausch einen Mehr-Felder-Ansatz entwickelt, der inzwischen auf zahlreiche spezielle Fragestellungen angewendet wurde.

Zum Mehr-Felder-Ansatz siehe Stemberger 2009, 2014, 2015, 2018; zu verschiedenen Anwendungsbereichen des Mehr-Felder-Ansatzes siehe u.a. Fuchs 2010 (Ess-Störungen), Agstner 2012 (Veränderte Bewusstseinszustände), Semotan 2020 (Märchen-Spiel in Gruppen), Sternek 2014 (Bildschirmtechniken), Zabransky 2014 (Dialogisches Arbeiten), Turi-Ostheim 2014 (Schauspiel-Unterricht), Trombini 2014 (Übertragungsbeziehung).

Literatur: