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phaenomenologie

Phänomenologie

[EN: phenomenology]

Der Gestaltpsychologe Kurt Koffka sagt zur Phänomenologie:

  • „Für uns bedeutet Phänomenologie eine möglichst unvoreingenommene und umfassende Beschreibung des unmittelbar Erfahrenen.“(Koffka 2008, 171; übersetzt aus Koffka 1935, 73)

Wolfgang Metzger wird oft mit seiner Formulierung der phänomenologischen Forderung an den Forscher zitiert:

  • „Das Vorgefundene zunächst einfach hinzunehmen, wie es ist; auch wenn es ungewohnt, unerwartet, unlogisch, widersinnig erscheint und unbezweifelten Annahmen oder vertrauten Gedankengängen widerspricht. Die Dinge selbst sprechen zu lassen, ohne Seitenblicke auf Bekanntes, früher Gelerntes, „Selbstverständliches“, auf inhaltliches Wissen, Forderungen der Logik, Voreingenommenheiten des Sprachgebrauchs und Lücken des Wortschatzes. Der Sache mit Ehrfurcht und Liebe gegenüberzutreten, Zweifel und Mißtrauen aber gegebenenfalls zunächst vor allem gegen die Voraussetzungen und Begriffe zu richten, mit denen man das Gegebene bis dahin zu fassen suchte.“ (Metzger 2001, 12).

Begriffsbedeutungen

Der Begriff Phänomenologie wird in der Psychologie allerdings uneinheitlich verwendet. Angelehnt an Günther Kebeck & Manfred Sader 1984 lassen sich hier die folgenden Bedeutungen unterscheiden:

a) Unter Phänomenologie kann eine philosophische Denktradition verstanden werden, die vor allem mit dem Namen Edmund Husserl (1859-1938) verknüpft ist. Husserl versuchte, aus den Denktraditionen und Kategoriensystemen der Philosophie der Jahrhundertwende durch Rückwendung zur unmittelbaren Erfahrung auszubrechen. Unter dem Leitbegriff einer unmittelbaren Wesensschau einer „naiven“ Erfahrung „an die Sachen selbst“, löste er eine Rückbesinnung auf die „unmittelbaren Wurzeln des Erlebens“ aus.

b) Zweitens kann unter Phänomenologie eine psychologische Arbeitsweise verstanden werden, bei der sich der Forscher im Wesentlichen auf eigene Phänomene oder die ihm indirektvermittelten Phänomene anderer Menschen bezieht.

c) Ein dritter psychologischer Denkansatz, der sich ebenfalls phänomenologisch nennt, geht von der Prämisse aus, daß uns nur subjektive Phänomene zugänglich seien und wir uns deswegen grundsätzlich auf die subjektiven Phänomene des Menschen beschränken sollten. Diese Auffassung wird auch „Phänomenalismus“ genannt.

d) Viertens kann ein psychologischer Denkansatz phänomenologisch genannt werden, der die systematische und thematische Zuwendung zu den Phänomenen des einzelnen Menschen als einen unter mehreren möglichen Zugangswegen zu psychologischen Sachverhalten ansieht und anerkennt. Für psychologische Forschung ist dies nach Auffassung von Kebeck und Sader der einzige legitime Ansatz.

Die gestalttheoretische Phänomenologie-Auffassung ist mit der Phänomenologie Husserls nicht ident. So tritt die Gestalttheorie für eine Verbindung von empirischer Forschung und philosophischer Reflexion, von Phänomenologie und Physiologie ein, während Husserls Ideal eine „reine“ Phänomenologie und Erkenntnisforschung war (vgl. dazu Toccafondi 2011, 2015). Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer Unterschiede (siehe dazu u. a. Henle 1979, Goerlich 2000, Tholey 2018).

Siehe auch

Literatur

phaenomenologie.txt · Zuletzt geändert: 12.03.2024 13:26 (Externe Bearbeitung)