Konflikt

Doris Schubert, Frankfurt

Die Lehre von den „inneren Konflikten“: Wir wissen, was ein „äußerer Konflikt“ ist – eine Meinungsverschiedenheit zwischen zwei Menschen, bzw. der Zusammenstoß eines Willens mit einem anderen, der nicht mit ihm übereinstimmt und ihn im Grenzfall aufhebt. Den „inneren Konflikt“ stellt Freud mit dem Modell einer Bühne dar. Diese ist der Mensch als Arena, auf der mehrere, verhältnismäßig selbständig bezeichnete Wesen, die er Instanzen nennt – das Über-Ich, das Ich und das Es –, miteinander im Kampfe liegen. Genauer, die „mittlere“ Instanz, das Ich, wird von beiden „äußeren„ Partnern zugleich bestürmt, ihnen zu Willen zu sein, - was meistens bedeuten würde, dass das Ich einander ausschließende Dinge zu gleicher Zeit zu tun hätte.

Dieses Modell knüpft an Bilder von „zwei Seelen in meiner Brust“ oder an die Vorstellung vom Menschen zwischen einem guten Engel und dem Versucher an. Jedoch ist dies bei Freud höchst eigenwillig, eindrucksvoll und folgenreich durchgezeichnet und weist einen wesentlichen Unterschied zu solchen Überlieferungen auf. In der traditionellen Vorstellung von Engel und Teufel sind dies selbständige, von außen herantretende Wesen, nach Freud sind sie jedoch unabtrennbare Wesensbestandteile – verhältnismäßig selbständige – der Person selbst. Eindrucksvoll sind Freuds Instanzen: das Über-Ich als strafender Richter und u.U. auch als ein erbarmungsloser Quälgeist, das Es hingegen als in die Tiefe des Unbewussten verbanntes, stets auf die Gelegenheit zum Ausbruch lauerndes Ungeheuer.

Lewin macht mit seiner Kraftfeldanalyse deutlich, dass Kräfte, die positiv oder/und negativ besetzt sind, die aus verschieden gelagerten Fakten, aus entgegengesetzten und nahezu gleich starken seelischen Kräften und Bedürfnissen der Person bestehen, eine besondere Dynamik im psychologischen Feld entstehen lassen: einen Konflikt. Er ist als eine Situation zu charakterisieren, „in der gleichzeitig entgegengesetzt gerichtete, dabei aber annähernd gleich starke Kräfte auf das Individuum einwirken.„ (KLW Bd. 6, 120).

Als ein besonderer Prozess beim Hineingehen in die Konflikt-Situation wird die Frustration beschrieben.

Die Frustration ist ein besonderer Fall eingeschränkten Bewegungsspielraums. Zuerst umschließt die Barriere das Ziel – die Person selbst hat hingegen das Empfinden von Bewegungsfreiheit. Später verändert sich die Situation – man sieht sich nun selbst in einer Gefängnis-ähnlichen Situation, umgeben von der Barriere. „Frustration kann zu vermehrter wie zu verminderter Produktivität und auch zu verstärktem Einsatz wie zur Passivität führen.“ (Barker et al.; KLW Bd. 4, 77).

Die bewusst eingesetzte und therapeutisch induzierte Frustration bildet eines der möglichen Elemente im Prozess der Entwicklung zum Selbständig-werden und zur Verantwortungsübernahme des Klienten. Er wird damit gewissermaßen vom Therapeuten „gezwungen“, sich mit Themen, vor denen er möglicherweise flüchten will, auseinander zu setzen, mit dem Ziel, „sich so seine innere und äußere Welt ein Stück weiter verfügbarer zu machen und so jetzt besser seinen Standort in der Welt bestimmen zu können.“ (Walter 1985, 92).

Literatur:


Kurt Lewin: Feldtheorie in den Sozialwissenschaften Ausgewählte theoretische Schriften

2., unveränd. Aufl. 2012

395 Seiten | ISBN 9783456850764| Preis 34,95 Euro

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