(EN: force field analysis)
[Der Eintrag stützt sich auf Stemberger 2019, Therapeutische Beziehung und therapeutische Praxis in der Gestalttheoretischen Psychotherapie. Praxeologie der Gestalttheoretischen Psychotherapie, Teil 3)
Phänomenologie treiben schließt immer „Kraftfeldanalyse“ mit ein: Es geht nicht nur darum, das Erleben der Klientin nachzuvollziehen und zu vertiefen, sondern auch den treibenden und hemmenden Kräften auf den Grund zu gehen, die in diesem Erleben wirksam werden. Das ist auch ein elementares Bedürfnis der Klientin, sie will das Zustandekommen der erlebten Sachverhalte auch verstehen.
Diese Kräfte sind auf Seiten der Klientin ihre Bedürfnisse, Vorhaben und Ziele (ihre ureigenen wie auch die von anderen übernommenen oder induzierten; siehe dazu Machtfeld) und die in ihrem innerpersonalen Bereich wirksamen Hindernisse und Potenziale; auf Seiten ihrer erlebten Umwelt und ihrer Wechselbeziehung mit ihr die Anforderungen aus dieser Umwelt und die damit verbundenen hemmenden und förderlichen Kräfte; schließlich gelten als Randbedingung, die den Möglichkeitsraum all dieser Kräfte absteckt, die materiellen, nicht-psychologischen Existenzbedingungen der Person (wie z.B. ihr Geschlecht, ihr Alter, ihr physiologischer Zustand, ihre sozialen Existenzbedingungen) und ihrer Umwelt (Epoche, Ort, Kultur, Friedens- oder Kriegswelt etc.) zu beachten.
Diese Kraftfeldanalyse beschränkt sich nicht auf die Vermutungen von Klientin und Therapeutin über die treibenden Motive und Lebensziele der Klientin und deren „Schicksal“ unter den gegebenen Bedingungen. Sie schließt vielmehr eine beständige „Realitätsprüfung“ dieser Annahmen in Form eines experimentierenden Vorgehens in der Therapie mit ein:
Die Therapeutin regt die Klientin dazu an, ihre Vermutungen und Überzeugungen über sich selbst und ihre Umwelt im Hier und Jetzt der Therapiesituation zu überprüfen, indem sie sich auf ein Ausprobieren von Variationen der entsprechenden Situationen einlässt (z.B. auf das Einnehmen einer Machtposition, des Blicks aus einer anderen Zeitperspektive etc.). Ein solches experimentell-variierendes Vorgehen (Luchins & Luchins 1959; Luchins, Luchins & Lindorfer 2020) kann im gelungenen Fall nicht nur neue Einsichten fördern, sondern schafft zugleich selbst wieder eine neue psychologische Situation – wer sich einmal in einer neuen Situation erlebt hat, ist nicht mehr dieselbe. In diesem Sinn spricht man von veränderungsaktivierender Kraftfeldanalyse. Die einsichtsorientierte Problemanalyse ist davon ein Teilgebiet bzw. eine Teilaufgabe (Hruschka 1969, Weidinger 2017; vgl. dazu auch Zöller 1993, Lumbelli 2018), wobei es vor allem um die Herstellung von Problembewusstsein und Einsicht in die Problemstruktur geht, sowie um eine Exploration der treibenden und hemmenden Kräfte. die beim Versuch der Problemlösung zu berücksichtigen sind.
Kurt Lewin: Schriften zur angewandten Psychologie. Aufträge, Vorträge, Rezensionen
Herausgegeben und eingeleitet von Helmut E. Lück
Wien: Verlag Wolfgang Krammer
Dem Buch liegt eine DVD mit seinen berühmten Filmen zur Welt des Kindes bei.
ISBN 978 3 901811 46 3 | 288 Seiten | Preis 28,00 Euro