Eva Wagner-Lukesch, Wolfsgraben
Schöpferische Freiheit ist ein für die Gestalttheoretische Psychotherapie grundlegendes gestaltpsychologisches Konzept, das Wolfgang Metzger als Freisein von Hemmnissen versteht, welche die Entfaltung schöpferischer Kräfte behindern. Das Konzept geht von der Annahme aus, dass in einem lebenden System die Tendenz zur guten Gestalt wirkt und die grundsätzliche Möglichkeit der Selbstregulation besteht, wenn es daran nicht gehindert wird. Dementsprechend ist im Umgang mit „Wesen“ zu beachten, dass sich diese nach eigenen inneren Gesetzen gestalten und verhalten. Wird man dieser Eigenart gerecht und ermöglicht dadurch das Wirken schöpferischer Kräfte, so kann aus dem Tun eines Menschen „etwas Besonderes, Neues, Eigenartiges, Ursprüngliches, Echtes, Wahres“ entstehen (Metzger 2022, 1).
Anhand von sechs „Kennzeichen der Arbeit am Lebendigen“ beschreibt Metzger jene Bedingungen, unter denen sich schöpferische Kräfte entfalten können:
Es geht dabei um ein Wechselspiel zwischen „Betreuer und betreutem Wesen“, das Metzger öfters mittels taoistischer Parabeln veranschaulichte. Hier zeigt sich eine Entsprechung zwischen gestalttheoretischem Denken und östlichen Weisheitslehren und wird eine Haltung deutlich, die im Taoismus als absichtsloses Handeln oder Nicht-Eingreifen in den natürlichen Lauf der Dinge wiederzufinden ist (vgl. Li 1943, Kästl 1990).
Den Betrachtungen Metzgers über Kunst folgend geht es in der Therapiesituation für Hans-Jürgen Walter um die „Kunst des Lebens“ …„als die Fähigkeit, in schöpferischer Freiheit den Anforderungen und Möglichkeiten des Lebens zu begegnen“ (Walter 1985, 136f., vgl. auch Salber 1993). Unter Einbeziehung des Lebensraumkonstrukts übernimmt Walter (1985, 148ff) die von Metzger aufgestellten Kriterien der „Arbeit am Lebendigen“ und erläutert in „12 Antworten“ jene Bedingungszusammenhänge, die in einer therapeutischen Ausbildung gelehrt und erfahren werden sollen, um jene von Sachlichkeit (Ichhaftigkeit/Sachlichkeit) geprägte Haltung vermitteln bzw. entwickeln zu können, die eine freie Entfaltung angelegter Möglichkeiten und Fähigkeiten ermöglichen. Seine Ausführungen machen Parallelen zu der von Rogers beschriebenen Haltung des Psychotherapeuten und zu anderen wichtigen Verfahren der Humanistischen Psychologie deutlich und legen als gemeinsamen Grundsatz nahe, dass „die Therapiesituation ein Ort schöpferischer Freiheit sein muss“ (Walter 1979).
Literatur:
Dazu der Klassiker der Literatur zur Gestalttheoretischen Psychotherapie:
Wolfgang Metzger: Schöpferische Freiheit - Gestalttheorie des Lebendigen
Herausgegeben von Marianne Soff und Gerhard Stemberger
Die „Schöpferische Freiheit“ ist Wolfgang Metzgers drittes Hauptwerk zur Gestalttheorie - neben seinen „Gesetzen des Sehens“ und seiner „Psychologie“.
Die Neuauflage beinhaltet auch ein Geleitwort von Jürgen Kriz und einen Begleittext von Gerhard Stemberger, Psychotherapie und schöpferische Freiheit.
192 Seiten, ISBN-13: 978 3 901811 80 7; Preis; 26,00 Euro zuz. Versand Bestellungen: info@oeagp.at