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gestaltgesetze

Gestaltgesetze

[EN: Gestalt laws]

Gerhard Stemberger, Wien und Berlin

Die „Gestaltgesetze“ (Wertheimer sprach von Gestaltfaktoren] erfassen die dynamischen Selbstordnungstendenzen, die für die Bildung, Aufrechterhaltung, Wiederherstellung und Höherentwicklung von Gestalten (Wahrnehmungsgestalten, Bewegungsgestalten, Denkverläufe, Willenshandlungen, Affekte, etc.) verantwortlich sind. Weit über 100 Gestaltgesetze bzw. Gestaltfaktoren (z.B. die der Nähe, der Gleichartigkeit, der durchgehenden Kurve, des gemeinsamen Schicksals) wurden bisher nachgewiesen. Diese sind als Erscheinungsformen der übergeordneten allgemeinen Tendenz zur guten Gestalt (Prägnanztendenz) aufzufassen. Edwin Rausch (1966, 918ff) führt - anknüpfend an Max Wertheimers „Prägnanzstufen“ und dem von v. Ehrenfels eingeführten Begriff „Gestalthöhe“ - die große Zahl von Gestaltgesetzen auf zwei Gruppen von Prägnanzaspekten zurück. Nach H.-J. Walter (1994) wäre dementsprechend etwa eine im Sinne der Gestalthöhe reiche Persönlichkeit diejenige, welche die Welt differenziert wahrnimmt und zugleich die Differenziertheit ihrer Wahrnehmung in eine komplexe im Gegensatz zu einer komplizierten Ordnung bringen kann.

Die Wirkung der Gestaltgesetze wurde zuerst in Untersuchungen der figuralen Wahrnehmung und des Gedächtnisses nachgewiesen. Es ist jedoch ein Missverständnis, dass sich die Geltung der Gestaltgesetze auf diese Bereiche beschränkte. Gestaltpsychologische Forschung beschäftigte sich mit der Wirkung der Prägnanztendenz im Denken, Lernen, Problemlösen, im affektiven Leben und allgemeiner im Verhalten. So wurden auch für im engeren Sinne soziale Sachverhalte konkrete Gestaltgesetze erfasst, z.B. mit der Wir-Tendenz, aber auch mit den ursprünglich auf figurale Gegebenheiten bezogenen Faktoren der Nähe und Ähnlichkeit (vgl. etwa die Arbeit von Henle 1942 über dynamische und strukturelle Determinanten der Ersatzbildung und andere Arbeiten zur Wirkung von Gestaltgesetzen in der gesunden und pathologischen Entwicklung der Persönlichkeit, u.a. Brown 1949).

Siehe auch:

Literatur:

  • Brown, Junius F. (1949): The Psychodynamics of Abnormal Behavior. New York/London
  • Henle, Mary (1942): An Experimental Investigation of Dynamic and Structural Determinants of Substitution. Durham.
  • Rausch, Edwin (1966): Das Eigenschaftsproblem in der Gestalttheorie der Wahrnehmung. Handbuch der Psychologie, Bd. 1, 1. Hbd., Göttingen: Hogrefe. , 866-953.
  • Walter, Hans-Jürgen (1994): Gestalttheorie und Psychotherapie. Zur integrativen Anwendung zeitgenössischer Therapieformen. 3. Auflage. Opladen.

Das klassische Grundlagenwerk zur Gestalttheorie

Wolfgang Metzger: Psychologie. Die Entwicklung ihrer Grundannahmen seit der Einführung des Experiments

Wien: Verlag Wolfgang Krammer

ISBN 978 3 901811 07 9 | 407 Seiten | Preis 45,00 Euro

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gestaltgesetze.txt · Zuletzt geändert: 12.03.2024 13:26 (Externe Bearbeitung)